Kann Hintergrundmusik in der Werbung die Kaufentscheidung beeinflussen?

Veröffentlicht von Paulina Olbrich am

Heutzutage ist Hintergrundmusik als Stilmittel aus der Werbung nicht mehr wegzudenken.  Die ersten Einsätze von Werbemusik gehen jedoch weit zurück. Schon im Mittelalter nutzten Markthändler Musik, um vorbeiziehende Kunden auf ihre Angebote aufmerksam zu machen und ihre Waren anzupreisen.

Mit der Verbreitung des Radios in den ‚goldenen Zwanzigern‘ nahm die akustische Markenwerbung an Fahrt auf und erreichte ihren ersten Höhepunkt mit der Einführung kurzer und prägnanter Werbe-Jingles in den 1950er Jahren.

Heute zählt Hintergrundmusik zu der „verbreitetsten musikalischen Form innerhalb des Werbemittels“ und kommt in rund 92% aller deutschen audiovisuellen Werbespots vor .  Durch die Verbindung aus Sprache und instrumentaler Untermalung wirkt die Werbebotschaft attraktiver und hat einen höheren Wiedererkennungswert. Marken können sich dadurch akustisch von Konkurrenzprodukten abgrenzen.

Das Potential von Hintergrundmusik in der Werbung liegt darin begründet, dass sie unbewusst Emotionen auslösen und darüber hinaus auch Assoziationen hervorrufen kann, die die Wahrnehmung und Bewertung des Werbespots beeinflussen können. Welche psychologischen Prozesse daran beteiligt sind und wie sich Werbetreibende die durch Musik transportierten Gefühle und Bilder zu Nutzen machen können, ist Gegenstand dieses Artikels. Im Folgenden werden grundlegende Wirkungsweisen von Musik erläutert, um anschließend genauer auf die kognitive Verarbeitung von Werbemusik durch die Rezipierenden einzugehen. Dies wird anhand drei etablierter theoretischer Modelle geschehen: der klassischen Konditionierung, des Elaboration Likelihood Modells (ELM) und des Konzepts der musikalischen Passung.

Die Wirkungsweise von Musik

Musik kann auf verschiedenen Dimensionen wie etwa Harmonie, Melodie und Tonalität beschrieben werden, welche die Menschen in unterschiedlicher Weise ansprechen und stimulieren können. In der Werbung liegt eine zentrale Funktion von Musik darin, die Aufmerksamkeit der Rezipierenden zu wecken und zu fokussieren. Spezielle Signaltöne zu Beginn eines Werbespots erhöhen etwa den Fokus auf das im Anschluss Präsentierte. Die nachfolgende Untermalung des Spots mit Hintergrundmusik soll dann dafür sorgen, dass die Aufmerksamkeit über die gesamte Dauer aufrecht erhalten bleibt .

Ob eine musikalische Begleitung eines Werbespots als emotional erregend und angenehm wahrgenommen wird, ist zum großen Teil von der persönlich empfundenen Sympathie gegenüber einer Melodie abhängig. Werbegestalter*innen können systematisch eine Zielgruppe ansprechen, indem sie Musikstile oder -genres nutzen, die in dieser Gruppe besonders beliebt sind oder auch gezielt Musikstücke besonders bekannter Künstler*innen verwenden. Ein Experiment mit Radiowerbung zeigte, dass Versuchsteilnehmer*innen bei einem Spot mit besonders populärer Musik eine erhöhte Aufmerksamkeit im Vergleich zu einem Spot ganz ohne Musik aufwiesen .

Dass Musik in der Werbung hauptsächlich aufgrund ihrer Fähigkeit, Gefühle in den Menschen hervorzurufen erfolgreich ist, hat die Wissenschaft vielfältig belegt . Die Aufgabe von Musik liegt hierbei darin, das Image der Marke zu stärken und im Zuge dessen eine Differenzierung gegenüber anderen Firmen im Wettbewerb zu schaffen. Dies funktioniert über die nicht notwendigerweise bewusste Auslösung kontrollierter Emotionen bei den Rezipierenden, was zu einer erhöhten Akzeptanz hinsichtlich des beworbenen Produkts führen soll. Glückt dieser Prozess, kommt es letzten Endes zu einer Kaufentscheidung.

Musik als ‚unkonditionierter Stimulus‘

Die klassische Konditionierung gilt als eine der bekanntesten behavioristischen Lerntheorien, ihr Begründer war der russische Physiologe Iwan Petrowitsch Pawlow. Grundlage der Theorie ist eine Form des Lernens, bei der ein bevorstehendes emotional angenehmes Ereignis wiederholt durch einen neutralen Stimulus ankündigt wird. Als Ergebnis dieses Lernprozesses zeigt sich dann schon bei alleinigen Präsentation des Reizes bereits ein geändertes Verhalten.

Das Paradigma der klassischen Konditionierung dient auch zur Erklärung der Wirkungsweise bestimmter Musikstücke in der Werbung. Dort entsteht durch die Paarung eines Produkts (neutraler Stimulus) mit einem beliebten Musikstück (unkonditionierter Stimulus) eine Assoziation zwischen den beiden Stimuli und eine Präferenz für das beworbene Produkt entwickelt sich. Das Ergebnis hierbei ist, dass eine Art Manipulation durch die emotional angenehme musikalische Unterlegung stattfindet und den Konsument*innen unterschwellig suggeriert wird, das beworbene Produkt angenehm zu finden und es letztendlich zu kaufen.

Ein Paradebeispiel für die klassische Konditionierung im Werbekontext liefert Gorn , der in seiner Studie zeigen konnte, dass Versuchspersonen bei der Wahl zwischen zwei Stiften auf denjenigen zurückgriffen, der ihnen in Kombination mit angenehmer statt unangenehmer Musik präsentiert wurde.

Mittlerweile werden die Studienergebnisse von Gorn in der Forschung kontrovers diskutiert. Während einige Forscher*innen seiner Theorie beipflichten, kritisieren andere, dass sich die Ergebnisse nicht immer replizieren lassen . Festzuhalten ist aus heutiger Perspektive, dass es der richtigen Umstände bedarf, unter welchen klassische Konditionierung erfolgreich wirken kann .

Involvement als Rezeptionsmodalität

Ein weiteres vielfach aufgeführtes Modell zur Erklärung der Werbewirkung von Musik ist das von Petty und Cacioppo entwickelte Elaboration Likelihood Modell (ELM). Dieses beruht auf dem psychologischen Konzept des Involvements. Durch Involvement lassen sich sowohl die persönliche Relevanz eines beworbenen Produkts als auch der Grad an Aufmerksamkeit, mit dem sich Konsument*innen einer Werbung widmen, beschreiben. Die Entwickler des ELM unterscheiden hierbei zwischen zwei Wegen der Informationsverarbeitung. Die zentrale Route, welche Rezipierende mit hohem Involvement einschlagen, ist zeit- und ressourcenintensiv. Dafür werden die Informationen aber gründlich und reflektiert verarbeitet. Eine Einstellungsänderung geschieht hier aufgrund der Überzeugungskraft der zentralen rationalen Argumente eines Werbespots. Anders verhält es sich bei der peripheren Route, die eingeschlagen wird, wenn Rezipierende weniger involviert sind. Hier findet nur eine oberflächliche und emotional geprägte Verarbeitung präsentierter Informationen statt. Ohne ausführliche gedankliche Beschäftigung mit den Argumenten geschieht eine Einstellungsänderung nur auf Basis sogenannter peripherer Hinweisreize, wie beispielsweise der Attraktivität der dargebotenen Musikmelodie.

Ob Rezipierende den Werbespot mit hohem oder niedrigem Involvement verarbeiten, hängt maßgeblich von ihrer Motivation und vorhandenen Fähigkeiten und Wissen ab. Sind beide Faktoren vorhanden, wird von einem hohen Ausmaß an Involvement ausgegangen und die zentrale Route der Informationsverarbeitung eingeschlagen. Ist allerdings zumindest ein Einflussfaktor nicht oder nur gering vorhanden, schlägt das Individuum die periphere Route ein und ist leicht durch periphere Hinweisreize beeinflussbar. Im Kontext des ELM wird postuliert, dass Hintergrundmusik vor allem bei niedrigem Involvement eine positive Wirkung erzielt. Hier kann sie als peripherer Hinweisreiz kurzfristig zu einer positiven Einstellungsänderung führen. Bei hohem Involvement wird sie dagegen als ablenkend beschrieben .

Die Passung von Musik in der Werbung

Wenn Rezipierende die Hintergrundmusik in einem Werbespot intuitiv als passend empfinden, kann Musik auch bei hochinvolvierter Verarbeitung einen positiven Effekt erzielen . Werbegestalter*innen versuchen deshalb bei der Auswahl der Hintergrundmusik für einen Werbespot einen möglichst hohen Fit, also eine besonders gute semantische Passung zwischen Musikmerkmalen und Werbekontext herzustellen. Dabei können verschiedene Merkmale der Musik, wie etwa ihre emotionale Konnotation, das Musikgenre oder bestimmte Instrumentalklischees zu ganz verschiedenen Merkmalen des Werbekontextes passen. Beispiele hierfür sind die vom Spot transportierten Emotionen, das Produkt- oder Markenimage, aber auch die vom Spot anvisierte Zielgruppe. Um den angesprochenen Fit im Werbekontext durch die Auswahl geeigneter Musik zu realisieren, bieten sich einige praktische Wege: Etwa können bestimmte Musikgenres gezielt dazu genutzt werden, vorhersagbar bei den Rezipierenden bestimmte Assoziationen hervorzurufen. Mit klassischer Musik assoziieren Rezipierende zum Beispiel in der Regel Luxus und Wertigkeit, weshalb sie in Werbespots häufig in Verbindung mit Luxusmarken oder teuren Parfüms präsentiert wird.

Dergestalt kontextangepasste Musik hebt folglich relevante Merkmale von Produkten oder Marken hervor und kann dadurch zu einer besseren Bewertung dieser führen. Werbespots mit passender Musik werden zudem auch nachweislich besser erinnert als Spots mit weniger passender Musik. Letztlich kann eine hohe musikalische Passung zu einer erhöhten Kaufbereitschaft beitragen. Eine binäre Vereinfachung der semantischen Beziehungen zwischen Musik und Werbespot auf ein schlichtes „passend“ oder „unpassend“ wäre angesichts des komplexen Sachverhaltes jedoch zu undifferenziert. Aktuelle Forschung hat deshalb Konzepte entwickelt, die die Passung von Musik und Spot als Spektrum klassifiziert. Je mehr Merkmale von Musik und Spot zusammenpassen, desto effizienter kann Musik die Werbewirkung steigern .

Auf den ersten Blick konträr zu den Ergebnissen der ‚Musical-Fit‘-Forschung stehen die Ergebnisse der Inkongruenzforschung. Dort wird postuliert, dass vor allem unpassende Musik im Werbespot zu einer verstärkten Erinnerung führt . Dies geschieht jedoch nur, wenn ein bewusstes, kunstvolles Abweichen von Musik und Botschaft innerhalb einer Zone der interpretativen Mehrdeutigkeit stattfindet, wie es beispielsweise bei ironisch gewählter Musik der Fall ist. Hier führt gerade eine als kreativ und gewollt empfundene  Inkongruenz zwischen Musik und Werbespot zu einer verstärkten Elaboration, weil das unangenehme Gefühl der Diskrepanz vermieden wird und ein zusätzlicher Bedeutungsgewinn stattfindet. Die beiden Modelle ergänzen sich folglich .

Musik als „Katalysator der Werbung“

Wie dieser Artikel veranschaulicht hat, stimuliert Musik den Menschen in vielfältiger Weise. Aus diesem Grund hat sich die Werbemusik seit vielen Jahren als festes Instrument der Markenkommunikation etabliert. Etwa vermittelt beschwingte Musik eine Leichtigkeit, die sich auch auf Rezipierende überträgt. Sie kann aber auch Erinnerungen an schöne Momente wecken oder ganz spezifische Assoziationen hervorrufen, die zum Produkt und Markenimage passen. Diese positiven Attribute werden dann später oft untrennbar mit dem Charakter der Marke verknüpft und verstärken dadurch ihren Wiedererkennungswert. Das Auslösen von Gefühlen und Assoziationen durch Musik in der Werbung läuft für Rezipierende in manchen Fällen sogar unbewusst ab. Sie befinden sich beim Anschauen eines Werbespots in einem Zustand, in dem sie leicht von solchen subtilen Reizen beeinflussbar sind.

Eine Inkongruenz von Musik und Werbespot wird von Werbegestalter*innen oftmals vermieden, weil sie sich störend auf den Rezeptionsprozess auswirken kann. Wird jedoch intentional unpassende Musik gewählt, wie es bei ironischen Musikstücken vorkommt, kann dies auch zu erhöhter Aufmerksamkeit führen und infolgedessen zu einer vertieften Verarbeitung der Werbebotschaft.

Die akustische Untermalung eines Werbespots führt in vielen Fällen zu einem intensivierten Erlebnis und hilft den Zuschauenden, die Botschaft im Sinne der Intentionen der Produzierenden zu interpretieren. Aufgrund dessen wird es der Zielgruppe einfacher, sich mit dem beworbenen Produkt zu identifizieren und die Bindung zu einer Marke wird gestärkt.

Für zukünftige Forschung wird es interessant sein festzustellen, in welche Extreme man die Personalisierung von Musik zur Zielgruppe treiben kann. Ein großes Augenmerk sollte hierbei auf der technischen Veränderung der Medienwelt liegen, in der Social Media Angebote einen immer größer werdenden Stellenwert einnehmen. Dort lesen Algorithmen bereits heute Daten von Nutzer*innenprofilen für kommerzielle Zwecke aus. Die Funktion und den Mehrwert darauf basierender adaptiver Hintergrundmusik könnte in Zukunft ein spannendes Forschungsthema werden .

Literatur

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Zitation

Olbrich, P. (2022). Kann Hintergrundmusik in der Werbung die Kaufentscheidung beeinflussen? Musik und Medien – Das Wissensportal. Online verfügbar unter https://www.musikundmedien.org/2020/04/11/olbrich_1/

Kategorien: RezeptionWirkung

Paulina Olbrich

Studentin im Bachelor-Studiengang „Medienkommunikation“ an der JMU Würzburg und Schreiberin für die Studierendenzeitung SPRACHROHR.